Aus der Bergischen Morgenpost v. 29.06.2023. Von Cristina Segovia Buendía, Foto: Jürgen Moll.
Bei der Aktion „Tagwerk“ tauschten 250 THG-Schüler kurz vor den Sommerferien einen Unterrichtstag gegen einen Arbeitstag ein. Der Tageslohn wird an Projekte gespendet, die Bildung für Kinder in Entwicklungsländern unterstützt.

Foto: Jürgen Moll
Früh war Louisa Longerich an diesem Morgen aufgewacht, um sich für den Tag fertig zu machen. Statt zum Schulranzen mit Büchern, Tablet und Federmäppchen, griff sie diesmal zu festem Schuhwerk und Arbeitshandschuhen. Louisa würde heute nämlich nicht im Klassenzimmer sitzen, um Vokabeln zu lernen und Matheaufgaben zu lösen. Für die Elfjährige ging es zur Arbeit in den Wald.
Für die bundesweite Aktion „Tagwerk“ hatte sich das Mädchen als Arbeitgeber ihren Onkel Fabian Longerich (28) ausgesucht, der in Radevormwald einen Forstbetrieb führt. „Ich hätte auch zu einem anderen Onkel gehen können, der einen Bauernhof hat. Aber dort habe ich schonmal beim Melken und Füttern geholfen. Jetzt wollte ich mal was Neues ausprobieren“, sagt die Elfjährige kurz nach 8 Uhr auf dem Wanderparkplatz Mul in Hückeswagen. Was sie bei einem Forstbetrieb zu erwarten habe, weiß sie in diesem Moment noch nicht. Onkel Fabian klärt auf: „Wir werden gleich als erstes Holz aufnehmen und danach ein paar Bäumchen pflanzen“, verrät der 28-Jährige.
Für Louisa klingt das allein schon spannend. Sie sei gerne in der Natur und findet es wichtig, den Wald zu schützen, sagt sie. Dass für einen gesunden Wald manchmal auch gesunde Bäume im Bestand gefällt werden müssen, berichtet der Fachmann, würden längst nicht alle verstehen. „Für viele sind die Forstbetriebe, die bösen, weil wir den Wald ihres Erachtens nur als Wirtschaftsfaktor betrachten.“ Dass es auch zu seiner Arbeit gehöre, Bäume zu fällen, um Holz zu verkaufen, sei zwar richtig. „Forstbetriebe kümmern sich aber auch darum, dass es dem Wald ökologisch gut geht. Dazu gehört auch, dass wir auch mal vermeintlich gesunde Bäume aus dem Bestand nehmen, um jüngeren Bäumen Platz zu geben, damit sie gesund nachwachsen können.“
Für Fabian Longerich kam die Anfrage seiner Nichte vor Wochen überraschend, wobei ihm die Tagwerk-Aktion nicht unbekannt ist. „Ich habe mich gefreut, als Louisa mich fragte. Ich habe als Schüler selbst mal mitgemacht und finde es eine tolle Aktion.“ Als Arbeitgeber war es allerdings die allererste Anfrage, die er bislang erhalten hat. Er könne verstehen, dass sich Betriebe schwer damit tun, junge Schüler für einen einzigen Tag oder wenige Stunden mit auf die Arbeit zunehmen. „Man muss natürlich schauen, dass es zeitlich passt und dass man den Schülern auch was zeigen kann.“
Er selbst würde sich aber über weitere Anfragen freuen. Denn auch wenn Tagwerk in erster Linie ein anderes Ziel verfolgt (siehe Info), glaubt Longerich, dass dieser kurze Einblick eventuell den einen oder die andere für diesen Beruf begeistern kann. Wie in mittlerweile jeder Branche fehlen nämlich auch beim Forstbetrieb immer mehr Fachkräfte. Nicht all ihre Mitschüler haben in diesem Jahr Louisas Glück, für den guten Zweck für einige Stunden in den echten Arbeitsalltag eines Berufes zu schauen. Sie selbst wisse beispielsweise von einer Mitschülerin, die den Tag auf einem Bauernhof verbringen würde, erzählt die Elfjährige. „Die meisten sind vor allem privat bei den Eltern oder im Bekanntenkreis untergekommen“, verrät Eva Blumberg, Lehrerin am Theodor-Heuss-Gymnasium, die gemeinsam mit ihrem Kollegen Gunnar Schubert die Aktion vor Ort koordiniert. „Einige arbeiten an diesem Tag auf Reithöfen mit, an ihren ehemaligen Grundschulen, andere helfen zu Hause aus, mähen Rasen oder führen den Nachbarshund aus“, zählt Blumberg auf. Die Tätigkeitsfelder seien so unterschiedlich, wie die Entlohnung. „Manche geben fünf Euro, andere – weil sie die Aktion so unterstützenswert finden – 200 Euro.“
Die gesamten Einnahmen würden am Ende zu 50 Prozent an Tagwerk fließen, die ein Bildungsprojekt für Kinder in Afrika unterstützen. Die andere Hälfte, erklärt Blumberg, gehe an das schuleigene Projekt, das das Theodor-Heuss-Gymnasium in Tansania unterhält.
Bei den Schülern der fünften und sechsten Klassen käme der Tag sehr gut an. „Ab Klasse sieben lässt das Interesse dann etwas nach, aber bei den Fünf- und Sechstklässlern ist die Resonanz hervorragend“, berichtet die Pädagogin.
Info: Arbeitslohn fließt als Spende an „Tagwerk“
Tagwerk Der Verein „Aktion Tagwerk“ wurde 2002 gegründet. Die Stiftung, die daraus entstanden ist, organisiert jährlich eine Kampagne, die viele Jahr lang als „Dein Tag für Afrika“ an Schulen in ganz Deutschland durchgeführt wurde. Seit 2021 heißt die Kampagne offiziell „Aktion Tagwerk – Dein Einsatz zeigt Wirkung.“ Bei der Aktion geht es nach wie vor darum, dass sich Kinder und Jugendliche für einen Tag für Gleichaltrige in anderen Teilen der Welt engagieren.
Ablauf Schüler suchen sich Sponsoren und gehen dann einen Tag arbeiten. Der Arbeitslohn fließt als Spende an Tagwerk, die Bildungsprojekte für Kinder und Jugendliche in Entwicklungsländern ermöglicht. In diesem Jahr hieß das Motto „Klima und Ressourcen schützen“.
THG Das Gymnasium nahm in diesem Jahr erst zum zweiten Mal an der bundesweiten Aktion teil.