In einem unscheinbaren, weißen Kleidchen mit einer roten Schleife um die Hüften steht sie dort und weiß nicht weiter. „Ich will doch nur einmal Glück, wo bist du denn, du goldene Zeit?“ Selina Holzmann, Schülerin der Jahrgangsstufe 12, ist für ein paar Stunden in die Rolle einer jungen Frau geschlüpft, die ihren Körper im Anatomischen Institut verkaufen möchte, der so nach ihrem Tod zu Forschungszwecken verwendet werden kann. Ganze 150 Mark solle sie dafür schon bereits im Voraus erhalten. Ein paar Mark, die sie in Zeiten der Arbeitslosigkeit dringend benötigt, um einen Wandergewerbeschein zu erhalten.
Das passende Bühnenbild ließ den Zuschauer mitten in das Geschehen hineindenken und 80 Jahre zurück versetzen in die 30er Jahre. Voller Hoffnung und Entschlossenheit begegnet sie den Menschen in dieser schwierigen Zeit, doch das Leben erweist sich als überaus hart. Paragraphen, Staatsgewalt, Egoismus und andere Widrigkeiten bringen die junge Elisabeth zunehmend in Bedrängnis.
Ganz anders sind die reichen Leute, die Geld haben, ein ruhiges Leben führen können und gleichzeitig Spaß haben. Eine kleine Party mit Freunden, Sekt und Wein ist hier ab und zu Pflichtprogramm. Ganz zur Freude der Zuschauer, denn von jetzt auf gleich ertönt der aktuelle Hit „Bück dich Hoch“ von Deichkind. Nicht in der Disco oder privat zu Hause, sondern mitten auf der Bühne fangen die Schüler an zu tanzen, mischten das Publikum auf und brachten es zum Schmunzeln.
Einige Szenen durften die Schüler nämlich eigenständig hinzuschreiben, um das Stück moderner zu gestalten. „Da war ganz schön unsere Kreativität gefragt“, erzählten die neugeborenen Schauspieler. Obwohl diese Stelle noch so kurios war, war sie gleichzeitig auch passend, denn der Kontrast zwischen Arm und Reich wurde an dieser Stelle ganz besonders deutlich. Die Einen waren ganz unschuldig und bescheiden, hingegen die Anderen zurechtgemacht, gestylt und in einem schweren Pelzmantel gekleidet.
Doch dann hieß es: Schichtwechsel. Ein Jahr lang hatten nämlich zwei Literaturkurse aufgrund des Doppeljahrganges mit Hilfe von den Lehrern und Zwillingsbrüdern Carsten und Thorsten Krause gemeinsam an einem Stück gearbeitet und teilweise wegen der Größe die Rollen doppelt besetzt. So klatschten sich die jeweiligen Schüler ab und ganz neue Gesichter waren auf der Bühne zu sehen.
Auch die hoffnungsvolle Elisabeth war nicht mehr sie selbst. Michelle Middelhoff verkörperte von nun an das verzweifelte und traurige Mädchen, denn nachdem sie auch von ihrem Geliebten verlassen wurde, war endgültig eine Welt für sie zusammengebrochen. „Aus, jetzt ist alles aus. Immer wieder muss man aufstehen, bis man zusammenbricht. Ich kann und will nicht mehr!“, schluchzte sie weinend am Boden liegend. Die einzige Lösung für sie ist ein Selbstmord, wobei sie allerdings rechtzeitig von einem tollkühnen Held gerettet werden kann. Doch am Ende gelingt ihr der zweite Versuch: sie erschießt sich und ist tot. Und gleich darauf folgen „Standing Ovations“ – für alle.
Sogar dem Schulleiter Matthias Fischbach-Städing fehlen die Worte: „Das war spannend, kurzweilig und einfach hervorragend. Und manche sind sogar mehr aus sich herausgekommen als im Matheunterrricht, das ist klasse!“ Obwohl die Veranstaltung in diesem Rahmen Premiere für das THG war, meisterten die Schüler, die von den beiden Brüdern sichtlich unterstützt wurden, ihre Schauspielerkünste mit Bravour.
Zusammenfassend waren sich aber alle einig: „Zwischenzeitlich haben wir ganz vergessen, dass das Ganze nur ein Theaterstück und nicht die Realität ist. Es war eine riesige Erfahrung für uns, auf der Bühne gestanden zu haben. Man wird viel offener und ist nicht mehr so schüchtern.“ Und auch der Titel des Stückes wird jedem noch lange in Erinnerung bleiben, denn schon damals sagte Paulus: „Glaube, Liebe, Hoffnung, diese drei, die Liebe ist die größte unter ihnen.“ (1.Kor.13,13)
(Denise Brocksieper)