Foto und Bericht von Antje Dahlhaus (RGA Online vom 20.09.2016)

Am Anfang eines Gespräches mit Claudia Scheibner steht eine Säule, ohne die sie kaum denkbar wäre. Diese ist rot, abgeschrabbelt und hat die Studienrätin über drei Jahrzehnte am Theodor-Heuss-Gymnasium und in vielen anderen Lebenslagen begleitet. Am Tag ihrer Versetzung in den Ruhestand steht sie nach unermüdlichem Schuleinsatz auf ihrer Terrasse wieder auf dem Tisch: die geliebte Thermoskanne!

Sie ist ein Gleichnis ihrer Besitzerin. Und der Kaffee bleibt immer noch heiß. Claudia Scheibner ist gelassen an diesem sonnigen Tag, „ein Stück verlängerte Sommerferien“, wie sie die Ruhestands-Lage einschätzt. Auf die Frage, was sie nun empfindet, kommt sehr spontan ein Wort: „Freiheit.“ Die etwas schmucklose, gerade erst erhaltene Entlassungsurkunde liegt neben einer Collage, die ihr mehr bedeutet. Auf rotem Papier ist dokumentiert, wer mit ihr noch zu ihrer Zeit als Lehrerin in den Anfangsmonaten in einem Theaterprojekt agiert hat und was diese Schüler ihr und Ehemann Martin Scheibner damals zur Hochzeit wünschten.

Zur Hälfte dieser Schüler hat sie noch losen Kontakt, vergessen wurden auch die anderen Jahrgänge des Orchesters nicht. Beim Blättern durch Fotoordner kennt sie nahezu jeden Schüler beim Namen, von den 80ern bis in die Neuzeit. Das Orchester des THG, das sie über Jahre prägte, war ihr anfangs verwehrt. Eine Männersache zwischen zwei Pädagogen, die eine weibliche Unterstützung nicht für nötig hielten. Es ist nicht nur ein Ton, es sind viele, die sich Claudia Scheibner im Laufe der Jahre erarbeitet hat.

„Das Erste was du lernst, ist das richtige Atmen. Musik auf jedem Instrument kommt erst mit dem richtigen Atmen zum Schwingen und zu schönen Tönen, egal ob auf einem Saiteninstrument oder dem Schlagzeug oder auf einem Blasinstrument.“ Das ist die Überzeugung, die Claudia Scheibner im Laufe von Jahrzehnten am THG hatte.

Mit dem Orchester sollte sie zuerst nichts zu tun haben

Claudia Scheibner hat für das Orchester zehn Instrumente in den ersten fünf Tönen erlernt, das Klavier und die Flöten haben sie über das Studium begleitet. Seit 1991 hat sie den Taktstock in Händen gehalten, nachdem Wolfgang Obermeier in Ruhestand ging und sich Bernd Allendorf mit seiner Kollegin abgefunden hatte. „Am Anfang hat man mir gesagt, mit dem Orchester hast du nichts zu tun“, erinnert sie sich. Was im Klartext heißen sollte: „Das ist unser Spielfeld.“ Claudia, damals noch Malsch, seit 1986 Scheibner, akzeptiert die Rangordnung. Und bleibt doch widersprechend.

Mit Schülern mehrerer Jahrgangsstufen inszeniert sie Faust, 1986, wenige Monate später heiratet sie. Dass sie eine Theateraufführung als Referendarin durchführte, abseits von offiziell dafür einbestellten Kollegen, das gefiel nicht allen.

Und ihre Orchester-Musiker blieben über Jahrzehnte unvergessen, nicht wenige davon haben ihre Kinder heute am THG. „Zu Anfang habe ich noch Ordner geführt“, räumt sie lächelnd ein, in den letzten Jahren nicht mehr. Dennoch hat sie nie wirklich einen Schüler aus dem Blick verloren. Und bei denen, die aus dem persönlichen Fokus gingen, ist sie auch am letzten Arbeitstag noch interessiert. Ein schlichtes Blatt Papier – ohne Siegel, attestiert ihr am 31. August, das ihre Arbeitszeit zu Ende gegangen ist. Ein Leben vor allem für die Musik, mit der Erinnerung an unzählige Orchesterfahrten und der Erkenntnis, „das auch andere Unrecht haben.“

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